Materialien
M1a: Aufklärung des Mechanismus der DNA-Replikation – Versuche mit Wurzelzellen höherer Pflanzen
Für die Replikation, die Verdopplung der DNA, die vor jeder Zellteilung stattfindet, wurden ursprünglich verschiedene Mechanismen in Betracht gezogen. So wurde die Möglichkeit einer konservativen und einer semikonservativen Replikation diskutiert. Bei der konservativen Replikation wird davon ausgegangen, dass die „Tochterzelle“ nur neusynthetisierte DNA erhält, weil der zu verdoppelnde Strang als Matrize dient und in der „Mutterzelle“ verbleibt. Nach dem Mechanismus der semikonservativen Replikation dient hingegen jeder Einzelstrang der „Mutterzelle“ als Matrize für die Neusynthese des komplementären Stranges, sodass sich die DNA in der „Tochterzelle“ schließlich aus einem elterlichen und einem neu synthetisieren Strang zusammensetzt.
Experimentell – unter anderem durch den nachfolgend angeführten Versuch von Taylor – konnte schließlich die Bestätigung für einen der genannten Mechanismen erbracht werden.
Ende der 50er Jahre führte James Herbert Taylor Versuche mit höheren Pflanzen durch. Er züchtete Wurzelzellen von der Saubohne Vicia faba so lange in einem Nährmedium mit einer Sorte radioaktiv markierten Nucleosidtriphosphaten (Thymidintriphosphat dTTP), bis die Pflanzen diese vollständig in ihre DNA eingebaut hatte. Danach stellte er von diesem Zellmaterial ein Präparat her, um die Metaphasechromosomen der folgenden Mitose mittels Autoradiografie (M2) abbilden zu können. Anschließend überführte er die Pflanzen in ein normales Medium, das heißt ein Medium ohne radioaktiv markierte dTTPs und wiederholte den oben beschriebenen Abbildungsvorgang nach einem Zellzyklus beziehungsweise nach zwei Zellzyklen.
Die Ergebnisse des Versuchs sind in der nachfolgenden Grafik zusammengefasst. Der Übersichtlichkeit halber wurden diese anhand eines einzelnen Chromosoms aufgezeigt, d.h. ein radioaktiv markiertes Metaphasechromosom (2-Chromatid-Chromosom) (siehe Ergebnis a) zeigt den Zustand vor Beginn der Zellteilungen im nicht radioaktiven Medium (siehe Ergebnis b/c).

M1b: Schwärzungsgrad und Skizze der DNA-Stränge

M2: Die Methode der Autoradiografie
Bei der Autoradiografie lassen sich radioaktiv markierte Moleküle durch ihre Strahlung auf einem fotografischen Film abbilden, wobei die Intensität der Strahlung den Schwärzungsgrad des Films bestimmt: Je höher die Strahlung, desto intensiver ist auch die Schwärzung auf dem Film. Bei den Ergebnissen in M1a stehen 100 Prozent Schwärzung für den Schwärzungsgrad des Fotofilms, der erreicht wird, wenn die größtmögliche Menge an radioaktiv markierten dTTPs in die DNA eingebaut wurde.
M3a: Basenanaloge
5-Bromuracil gehört zu den so genannten Basenanalogen. Basenanaloge sind Verbindungen, die aufgrund struktureller Ähnlichkeit anstelle der Nukleinbasen in die DNA eingebaut werden können. Bromuracil kommt in zwei chemisch voneinander abweichenden Formen vor: in der Enol- und in der Ketoform (siehe Abbildung). In der Ketoform zeigt es sehr große Ähnlichkeit mit Thymin und wird auch von den Enzymen der Zelle als solches behandelt. Der Wechsel von der Keto- in die Enolform wird durch die Verschiebung eines Wasserstoff-Atoms innerhalb des Moleküls hervorgerufen. Die Ketoform des Bromuracils kommt häufiger vor, weil sie stabiler ist als die Enolform.

B: Basenpaarungen der DNA (----- bedeutet Wasserstoffbrücken )
M3b: Einbau von Bromuracil und die Folgen auf das Replikationsergebnis

Aufgabe 3
Diskutieren Sie die Konsequenzen, die aus einer Anwesenheit von Bromuracil für einen Organismus resultieren. Beurteilen Sie in diesem Zusammenhang auch, ob sich ein Einbau der Enolform zu Beginn anders auswirken würde als der Einbau der Ketoform des Bromuracils.
Ihre Lösung zu Aufgabe 3
Lösung und (Gesamt-)Punktzahl
Erwartete Leistung | max. Punkte | Punkte vergeben |
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Diskutieren der Konsequenz der Anwesenheit von Bromuracil für einen Organismus: | ||
Aus der Anwesenheit von Bromuracil resultiert bei Wechsel von der Keto- in die Enolform und umgekehrt eine Veränderung in der Basensequenz (Punktmutation). Beim Verbleib in der Ketoform bleibt der komplementäre Strang bei der Replikation unverändert, da Bromuracil in der Ketoform die Rolle von Thymin einnimmt und mit Adenin paart. Erst wenn Bromuracil in die Enolform übergeht, paart es statt mit Adenin mit Guanin und ändert bei der Replikation den genetischen Code. Eine Mutation wird dann an nachfolgende Zellgenerationen weitergegeben, wenn sie nicht durch ein Reparatursystem behoben werden kann. |
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Nicht jede Mutation muss jedoch negative Folgen haben. Denkbar ist auch, dass sich Mutationen positiv auswirken. Außerdem können Mutationen auch ganz ohne Folgen bleiben, wenn zum Beispiel aufgrund der Degeneriertheit des genetischen Codes, die Mutation „stumm“ bleibt. Denkbar ist auch, dass durch die Mutation keine wesentlichen Bereiche des Genprodukts betroffen sind, so dass dessen Funktion dennoch erhalten bleibt oder dass die Mutation nicht-codierende Sequenzen betrifft. Es ist also zu unterscheiden, in welchem Bereich es zu Mutationen kommt oder auch welche Bereiche des Genprodukts verändert werden, um letztlich die Folgen für einen Organismus abschätzen zu können. Resultiert beispielsweise ein funktionsloses Protein, wie zum Beispiel ein funktionsloses aber wichtiges Enzym aus der Mutation, so können Stoffwechselstörungen die Folge sein. Auch andere Krankheiten sind denkbar (zum Beispiel Krebs durch Defekte an Regulatorstrukturen), die durchaus auch zum Tod führen können. | 6 | |
Resultieren aus der Mutation Folgen, sind die Konsequenzen für einen Organismus unter anderem auch davon abhängig, „wann“ und „wie oft“ der oben angesprochene Wechsel stattfindet (vergleiche auch Ausführungen unten zur Beurteilung des Einbaus von Bromuracil zu Beginn in der Enolform im Vergleich zur Ketoform) und es zu Mutationen kommt und welche Zelltypen betroffen sind. Je größer die Anzahl an Mutationen, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass mit Auswirkungen zu rechnen ist. Je wichtiger die Aufgabe der Zelle ist, desto wahrscheinlicher sind negative/positive Folgen für den Gesamtorganismus (vorausgesetzt die Mutation führt mindestens zu einer verminderten Funktionalität und/oder vorausgesetzt die Mutation führt zu einer verbesserten Funktionalität). Betrifft eine Mutation zum Beispiel keine Körper- sondern eine Keimzelle, wird diese an die Folgegeneration „vererbt“. | 3 | |
Beurteilung des Einbaus von Bromuracil zu Beginn in der Enolform im Vergleich zur Ketoform: | ||
Aufgrund der Tatsache, dass Bromuracil häufiger in der Ketoform vorkommt als in der Enolform (vergleiche Text M3), ist durchaus mit Unterschieden bezüglich der Auswirkungen für einen Organismus zu rechnen, wenn man davon ausgeht, dass Bromuracil zunächst in der Enolform vorgelegen hat. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel nämlich unmittelbar größer und damit auch die Wahrscheinlichkeit für Mutationen. Kommt es zu diesem Wechsel, wird die verursachte Mutation so lange an entsprechender Stelle weiter repliziert und an die nachfolgenden Zellgenerationen weitergegeben, bis die seltenere Enolform wieder auftritt. Entsprechend ist davon auszugehen, dass aufgrund der unterschiedlichen Häufigkeit des Auftretens der beiden Formen, die Auswirkungen größer wären, wenn Bromuracil zu Beginn in der Enolform vorliegt. | 5 | |
Erreichbare Höchstpunktzahl | ||
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